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Gefundene Wahrheiten

 

Gefundene Wahrheiten: Geographisch Forschen zwischen Fakt und Fake

Das Ziel von Wissenschaft ist es, Wahrheit zu finden und gegen Angriffe zu verteidigen. In einer reflexiven Grundperspektive werden „geographische Fakten“ schon lange nicht mehr als beobachtungsunabhängige Tatsachen verstanden. Vielmehr gelten „Fakten“ – ganz im wörtlichen Sinn – als etwas „Gemachtes“: hergestellt durch Praktiken des Forschens nach Normen wissenschaftlicher Denkweisen und Methoden, die zwangsläufig kontingent, situiert und damit immer auch interessengeleitet sind. Insofern ist jede Wahrheitsfindung zugleich eine Wahrheitserfindung. Gefundene/erfundene Wahrheiten ermöglichen nur dann neue Erkenntnisse, wenn sie immer wieder angezweifelt und der Kritik unterzogen werden.

In Zeiten, in denen von der post-truth-society, der „postfaktischen Politik“ und der – durch social media allgegenwärtigen – alternative facts die Rede ist, wird von der Wissenschaft in besonderer Weise erwartet, Wissen bereitzustellen, das Fakten klar von fake und fiction unterscheiden lässt. Die kritische Wissenschaft gerät mit dieser Erwartungshaltung in Bedrängnis, zumal zunehmend Argumente einer kritischen Perspektive gekapert werden: So wird z.B. im Zuge der sogenannten Klimawandelleugnung gerne argumentiert, die Wahrheit werde von Wissenschafter*innen gepachtet, die schlicht in der Mehrheit seien und von bestimmten politischen und wirtschaftlichen Interessen geleitet würden. Dem Vorwurf, Verschwörungstheorien zu verbreiten, wird entgegengehalten, in der Wissenschaftsgeschichte gebe es viele Beispiele, in denen wahre Erkenntnisse kaum gegen die Dominanz der Dogmen und Wissenskartelle durchsetzbar war.

Die kritische und konstruktive Wissenschaft tut sich schwer, sich klar von „alternativen Fakten“ jenseits der offensichtlichen Fälschung und Lüge abzugrenzen, wenn sie doch selbst betont, es gebe oft mehr als nur eine Wahrheit. Der „Fake“ liegt (möglicherweise sogar etymologisch) manchmal gar nicht so weit vom „Fakt“ entfernt: Beides sind „Erfindungen“. Wissenschaftliche Erkenntnis wird nicht einfach auf der Straße „gefunden“, sondern muss oft erst mühsam „erfunden“ werden. Unwahrheiten entstehen keineswegs nur durch bewusste Fehlinformation, sondern oft als Folge von Fehlern in der wissenschaftlichen Methode oder beim Umgang mit Quellen. Das Finden von Fehlern ist wiederum auch eine essentielle Grundvoraussetzung der Wahrheitsfindung.

Wie halten wir es vor diesem Hintergrund in der geographischen Forschung mit der Wahrheit? Neigen wir mit einem Einsatz für die Anerkennung des Klimawandels als „Faktum“ zu dogmatischen und wenig kritikfähigen Lehrmeinungen oder verbauen wir uns mit zu selbstkritischen Fragen eine wichtige Positionierung? Reproduzieren wir beim Einsatz gegen rechtspopulistische Positionen – z.B. in den gegenwärtigen Migrationsdebatten – nicht oft die Denkfiguren der Populisten, nur mit anderen Vorzeichen? Wie gehen wir mit der dezentralen und oft undurchsichtigen Produktion „digitaler Fakten“ in der Geoinformation und der Geovisualisierung im Zuge der in viele Bereiche des Alltagslebens Einzug haltenden Digitalisierung um? Mit welchen Konzepten können wir in der Geographiedidaktik Schülerinnen und Schülern ein Gespür dafür vermitteln, dass es auf viele Fragen durchaus mehrere (alternative) Wahrheiten gibt, und gleichzeitig ihre Kompetenz fördern, zwischen (guten) „echten“ und (schlechten) „alternativen“ Fakten zu unterscheiden?

Kontakt

Mag.

Tanja Zöhrer

Heinrichstraße 36
8010 Graz

Telefon:+43 316 380 - 8696


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